„Einfach für alle“ lautete der Titel einer Tagung der Aktion Mensch (AM) am Dienstag (6. Mai) in Gelsenkirchen. Dieser Titel war Programm: Auf der Agenda standen das Barrierefreie Internet und seine Weiterentwicklung.
Zu Beginn stellten Iris Cornelssen von AM und Jutta Croll von der Stiftung Digitale Chancen die Ergebnisse einer Studie zum Online-Verhalten Behinderter vor. Zur Durchführung dieser Befragung hatte das beauftragte Marktforschungs-Institut in Zusammenarbeit mit Experten von AM den ersten barrierefreien Online-Fragebogen in deutscher Sprache entwickelt und online gestellt.
Vertreter aller befragten Behinderten-Gruppen nannten unterschiedliche Barrieren, auf die sie bei der Nutzung des Internet stoßen. Besonders ärgerlich finden Blinde und Sehbehinderte den Zugriffs-Schutz mittels sogenannter „Captures“. Dabei handelt es sich um eine grafische Widergabe von Zahlen- oder Buchstabenfolgen, die der Nutzer in ein Formular eintippen muss, um sich dann einloggen zu können. Ohne scharf sehende Augen bedeutet der Einsatz von „Captures“ die vollständige Ausgrenzung aus den damit „geschützten“ bereichen.
Derartige Barrieren sind für Behinderte umso misslicher, als das Internet für viele von ihnen eine wesentlich höhere Bedeutung hat als für andere Menschen. Mobilitätsbehinderten kann es Wege ersparen, die möglicherweise über Stufen führen. Sinnesbehinderten kann es die Orientierung erleichtern oder Informationen überhaupt erst zugänglich machen.
Deswegen ist es auch kein Wunder, dass praktisch alle befragten Behinderten-Gruppen überdurchschnittlich stark im Internet vertreten sind. Im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen nutzen Behinderte auch die modernen Technologien und Angebote des „Web 2.0“ wesentlich intensiver als Nichtbehinderte. Unter „Web 2.0“ versteht man die zunehmende Ausgestaltung des Internet als Kommunikationsplattform, die von den Besuchern einer Seite aktiv mitgestaltet werden kann.
Die Auswirkungen dieser Weiterentwicklung bildeten einen Schwerpunkt der Diskussion bei den insgesamt 16 Workshops der Tagung. Jede dieser Arbeitsgruppen wurde durch je drei Thesen von eingeladenen Experten zur weiterführenden Diskussion angeregt. Die Ergebnisse dieser Debatten wurden dann wiederum in Form kurzer Stichworte zusammengefasst.
All diese Vorgänge wurden über einen Life-Stream zeitgleich als Bild und Ton ins Internet übertragen. Gebärden-Dolmetscher übersetzten das Gesprochene zudem in die Deutsche Gebärdensprache (DGS).
Neben den Anwesenden konnten so auch interessierte Internet-Nutzer die Tagung verfolgen und ihre Diskussionsbeiträge direkt in die Foren hineinschicken. Dort wurden sie dann von einer Kontaktperson vorgetragen und zur Diskussion gestellt.
Anhand dieses zukunftsweisenden Konzepts haben sich an der Tagung neben 350 Anwesenden auch gut 2.000 Online-Besucher beteiligt. Damit dürfte „Einfach für Alle“ die größte Internet-Tagung Deutschlands gewesen sein.
Im Nachgang zur Tagung sollen die Ergebnisse der Workshops ins Internet eingestellt werden, so dass Interessierte sie dort nachlesen können. So soll die Veranstaltung auch eine längerfristige öffentliche Wirkung erhalten.
Die große mediale Aufmerksamkeit nutzten Iris Cornelssen und Jutta Croll zum Abschluss dann auch, um den BIENE-Wettbewerb 2008 zu starten. Wie in den Jahren 2003 bis 2006 wird auch 2008 wieder ein Wettbewerb zur Prämierung der hinsichtlich ihrer barrierefreien Gestaltung vorbildlichsten Internet-Seiten deutscher Sprache stattfinden.
Die Forderung nach „einfacher Sprache“ hat sich die BIENE dabei auch zu eigen gemacht: Firmierte der Preis bislang noch als „BIENE-Award“, so heißt er nun „BIENE-Wettbewerb“.
Franz-Josef Hanke – 07.05.2008
Franz-Josef Hanke – 02.04.2008[ end]